So kann sich eine Region verändern. Vor einigen Jahren war der Norden bzw. der Nordwesten Schottlands ein Geheimtipp, den sogar viele Schotten aus dem Süden noch nie besucht hatten. Heute ist die Region mehr oder weniger zu einem Hot-Spot geworden.
Ein Grund ist die 2015 geschaffene Ferienstraße NC 500 (North Coast 500), welche man auf Initiative der Interessenvertreter der North Highlands als Ferienroute entlang der Nordküste Schottlands vorstellte. Diese Route ist als Rundkurs über ca. 830 km mit gedachtem Start und Ziel in Inverness angelegt worden. Sie führt durch die alten Counties Inverness-shire, Ross And Cromarty, Sutherland, Caithness u. a. über Muir Or Ord, Appelcross, Gairloch, Ullapool, Lochinver, Durness, Dunnet Head, Thurso, John o'Groats und Wick von und nach Inverness. Begonnen und beendet werden kann die Route natürlich je nach persönlicher Vorliebe an irgendeinem Ort der Strecke, zusätzlich zu den vorgenannten Orten muss man auch etliche kleine Orte zum Einzugsgebiet der NC 500 zählen, welche entlang der Strecke liegen.
Wie gesagt ist die NC 500 noch recht 'jung', sie wurde 2015 ins Leben gerufen. Die Idee dahinter war damals gut, es ging um die bessere Erschließung der nördlichen bzw. nordwestlichen Highlands. Diese Region war bei Insidern schon immer beliebt, allerdings fand der große Tourismus nicht statt - im Grund war es so, dass viele Schotten selten oder nie über Inverness hinaus Richtung Norden kamen. Von daher machte es natürlich Sinn, so eine Ferienstraße zu kreieren.
Die als Schottlands Antwort auf die berühmte US-Route 66 gepriesene Straße wurde mehr als gut angenommen. Vor allem zu Zeiten von Corona und dem damit verbunden steigenden Inlandstourismus vielleicht etwas zu gut. Zumindest lässt ein Bericht in Scotland Tonight darauf schließen.
Wirtschaftlich betrachtet kann man die Route zunächst einmal als einen Erfolg verbuchen. Die Verantwortlichen gehen davon aus, dass zuletzt jährlich ca. 23Mio.£ hängen blieben, welche durch zusätzliche Besucher in die Kassen der Kommunen entlang der Route gespült wurde. Wie erwähnt führt aber auch in Schottland bzw. England die COVID Pandemie für eine steigende Nachfrage nach Inlandsurlaub und gerade an der hochgepriesenen NC 500 schlug sich das in einer überbordenden Besucherzahl nieder. Viele Orte entlang der NC500 mussten einen nahezu unerträglichen Anstieg des Individualverkehrs beklagen (ähnliches hörte übrigens auch von bekannten Deutschen Ferienrouten).
So oder so: die Kommunen, und das sind oft sehr kleine Gemeinden, mussten sich bei unzreichend gewachsener Infrastruktur mit den typischen Folgen herumplagen: extreme Verkehrsüberlastung und damit verbunden Lärm und Unfallgefahren, zu viele Menschen auf zu wenig Raum und am Ende viel Müll.
Erste Gemeinden überlegen ein ernsthaftes Opt-Out, also den Ausstieg. So heißt es z. B. in Applecross, die NC500 sei einfach zu beliebt und das Highland Council habe die Rufe nach dem Ausbau der Infrastruktur bislang überhört. Ähnlich in Durness, einen Ort von gerade mal 350 Einwohnern, der von Besuchern 'überrannt' wurde. Hier war es stellenweise so schlimm, so Einwohner, dass alle Flächen um Durness von Wildcampern belegt waren. Man sei nicht gegen Besucher, aber man beklage die Untätigkeit des Highland Council bezüglich der Schaffung der für diese Besucherzahlen notwendige Infrastruktur. Die NC 500 könnte sich als der große Wurf herausstellen - aber nur, wenn man dafür auch angemessen investiere. Das gilt auch für die Nebenstraßen, welche heute noch so sind, wie sie meisten zur Zeit des II. Weltkriegs angelegt wurden. D. h.: sie reichen in der Form und Qualität nicht mehr aus, um die Besucherströme adäquat aufzunehmen (tatsächlich gibt es Streckenabschnitte, welche für größere WOMOs nicht befahrbar sind…).
Man hört aus fast allen Gemeinden ähnliches - sei es nun Bettyhill, Lairg oder Gairloch. Von dort kam sogar die Forderung nach einer Straßenbenutzungsgebühr - wer die NC 500 nutze, solle 50 Pfund bezahlen. Und mit dem Geld solle man die Kommunen in ihrem Ausbau unterstützen.
Das Highland Council hat sich verwaltungstypisch geäußert, zeigt Verständnis, verweist aber zugleich auf erhebliche Investitionen, Neueinstellungen zur Bewältigung der Müllprobleme und der Abrufung von weiteren Mitteln über den UK Levelling Up Fund.
Mutmaßlich heißt das: es wird sich über kurz oder lang nicht viel ändern. Sollte die hohe Inlandsnachfrage u. a. aufgrund COVID anhalten, wird sich die Situation nicht verbessern und aus einer gedachten Traumstraße könnte für kleine Kommunen und Anwohner, aber auch für die Besucher, eine Albtraumstraße werden. Und das wäre sehr schade.