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06.12.2011: Schottland auf dem Weg in die Unabhängigkeit?

Es ist schon lange her, dass Schottland ein unabhängiges Land war. Nach Wikingern und Römern war es vor allem der mächtige Nachbar England, der immer wieder begehrliche Blicke auf Schottland richtete und das Land schließlich auch vereinnahmte. Offiziell lautet das natürlich so: Schottland trat der Union 1707 bei. Man sprach von einer Vernunftehe, zumal für Schottland auch Vorteile entstanden. Es war einige Zeit durchaus interessant, britisch zu sein. Aber mittlerweile ist das anscheinend kein besonderes Privileg mehr.

Und im Herzen blieben viele Schotten sowieso immer unabhängig, der Übervater England wurde hier selten so richtig akzeptiert. Nun haben sich die Mehrheitsverhältnisse in Schottland permanent verschoben. Die Schottische National Partei SNP wurde, seit ihrer Gründung vor knapp 77 Jahren, immer stärker und besitzt seit 2011 die Mehrheit im schottischen Parlament.

Unabhängigkeitsbestrebungen sind nichts Neues, aber selten stand Schottland so nahe vor einer möglichen Realisierung. Alex Salmond, Vorsitzender der SNP, gibt sich siegessicher. In Videobotschaften macht er klar - "wir wollen Schottland zu Wohlstand und Unabhängigkeit führen".

Alex Salmond -die Gallionsfigur der SNP

Alex Salmond besitzt eine gute Außenwirkung. Schon seit 2007 ist er Ministerpräsident von Schottland, seit letztem Jahr kann er im Parlament sogar auf die Mehrheit seiner Partei bauen. Der Erfolg der im Kern sozialistischen Partei kam in der Form überraschend - 45 Prozent der Stimmen konnte die SNP auf sich vereinen. Das ist fast soviel wie Konservative, Liberale und Labour zusammen. Und die SNP trat zur Wahl u. a. mit eben diesem Thema Unabhängigkeit an. Salmond will halten was er versprochen hatte. Nach der Wahl machte er klar:

Wir werden in dieser Legislaturperiode ein Referendum ansetzen und dem Volk Schottlands seine eigene verfassungsmäßige Zukunft anvertrauen.

Das Referendum soll 2014 oder 2015 abgehalten werden. Im Prinzip handelt es sich dabei aber noch nicht um die Loslösung von England, sondern um die Zustimmung dazu, dass die schottische Regierung in Edinburgh mit der britischen Regierung in London Verhandlungen über einen Austritt aus dem United Kingdom aufnehmen soll. Sollte nun das Referendum tatsächlich für eine Lösung führen, dann könnte eine endgültige Unabhängigkeit bis frühestens 2020 stehen.

Zweifel an der Schlagkraft der SNP

Grundsätzlich äußern Insider Zweifel an der Schlagkraft der SNP. Die SNP lebt angeblich vor allem von der charismatischen Person Salmonds. Die anderen Parteien hätten niemanden im schottischen Parlament, der sich mit ihm messen kann. Die guten Politiker von Labour und Co. wären alle ins Londoner Parlament entsendet worden. Das wäre der SNP im Moment zugute gekommen, sei aber kein Garant für einen Erfolg beim Referendum.

Die Stimmung in Schottland scheint auch alles andere als eindeutig. Viele Schotten geben sich, bei allem Nationalstolz, zurückhaltend und sprechen sich eher für eine Zugehörigkeit zum UK aus. Zumindest ein kategorisches Nein zu England kommt einigen nicht über die Lippen - eher ein zögerliches vielleicht, mal sehen. Zuletzt stellte man in ganz Großbritannien 39 Prozent und in Scottland 49 Prozent Befürwortung für eine Abspaltung fest.

Ungeachtet dessen standen die Zeichen für eine mögliche Loslösung vom ungeliebten United Kingdom selten besser. Die SNP strotzt seit dem Wahlerfolg nur so von Kraft, da gibt es klare Aussagen pro Unabhängigkeit und Contra UK. Nicola Sturgeon, Stellvertreterin von Salmond, machte klar:

Die anderen Parteien fordern uns auf auszusprechen, was Unabhängigkeit meint. Dann lassen Sie es mich aussprechen: Unabhängigkeit bedeutet, nicht mehr länger zusehen zu müssen, wie unser nationaler Reichtum von Westminster-Regierungen vergeudet wird.

Nicht ohne England

Das liest sich einfach, dürfte aber in der Praxis schwer werden. England wird das wohl nicht einfach so hinnehmen. Immerhin gibt es vor Schottland recht ertragreiche Ölfelder in der Nordsee. Grundsätzlich sind die Briten schon lange alarmiert - der britische Premier David Cameron meinte kürzlich:

Ich werde das schottische Volk und seine Regierung mit dem gebührenden Respekt behandeln, aber wenn sie ein Referendum durchführen wollen, werde ich mit jeder Faser meines Körpers versuchen, unser Vereinigtes Königreich zusammenzuhalten.

Das Parlament in London schaffte es immer wieder, mit kleinen Zugeständnissen die Leute in Schottland ruhig zu stellen. Das Land verfügt bereits über eine eigenes Rechts- und Kirchensystem, eine eigene Flagge und eigene Banknoten. Tony Blair richtete dem Land 1999 ein eigenes Parlament ein, welches einigermaßen weitreichende Befugnisse besitzt. Es kann für Schottland ziemlich eigenständig über Gesundheit, Erziehung, Umwelt, Polizei, Tourismus, Landwirtschaft und anderes mehr entschieden.

Was in London blieb, sind die großen Bereiche wie soziale Sicherheit, Arbeitsmarkt, Energie Finanzen, Außen- und Verteidigungspolitik.

Zweifel an der Rechtmäßigkeit des SNP Referendums

Es ist unklar, ob die SNP überhaupt berechtigt ist, ein Referendum durchzuführen. Dieses Recht steht gem. des Scotland Act von 1998 nur der britischen Regierung zu. Es war einer jener Punkte, der wiederum von loslösungswilligen Schotten immer wieder bemängelt wurde. Allerdings schien sich hier auch in London einiges geändert zu haben. Angeblich ließ David Cameron wissen, das man in London einer von der SNP initiierten Abstimmung keine Steine in den Weg legen würde.

Auf der anderen Seite wissen auch die Tories um Cameron genau, was sie wollen. Sie wollen das Referendum so schnell wie möglich und hier ein klares ja oder nein. Wenn die Mehrheit dann gegen die Trennung ist, dann soll alles so bleiben, wie es ist. Je früher man das Referendum durchführt, umso sicherer ist es, dass die Mehrheit gegen die Trennung ist. Das wissen die Tories.

Auch darauf hat Salmond aber die passende Antwort, so ließ er auf einer SNP Konferenz wissen:

Die Tage, wo die Politiker in Westminster Schottland vorgaben, was es zu tun habe und was es zu denken habe, sind vorbei. Die Regierung des Vereinigten Königreichs hat keinerlei Mandat zur Frage des Referendums, und auch wenn Lord Forsyth sich das noch so sehr wünscht, ändert das daran nichts."

Die kleine Lösung - finanzielle Autonomie

Salmond zeigt sich als gewiefter Taktiker. Die Unabhängigkeit als souveräner Staat ist sein Ziel. Er könnte aber parallel auch mit einer kleinen Lösung leben - der finanziellen Autonomie. Man wäre dann zwar nicht unabhängig, aber ökonomisch selbstständig. Und auch zur Frage der Monarchie gibt er sich weltmännisch und betont, dass auch ein unabhängiges Schottland stolz und glücklich sei, Ihre Majestät als Staatsoberhaupt zu behalten.

Gerade die Forderung nach finanzieller Autonomie könnte aber problematisch für England sein. Dann hätte England so ziemlich alle unangenehmen Dinge an der Backe, Schottland könnte sich aber auf Gelder von England verlassen und zudem - so lange das Öl sprudelt - auf das schwarze Gold der Nordsee bauen. Das schmeckt vielen Schotten gut, schon jetzt sollen dafür angeblich gut 2/3 der Menschen sein. Aber andererseits bemängeln viele Engländer schon lange, dass Schottland letztlich mehr aus dem Top des UK bezieht, als es einbringt.

Ökonomen geben dieser Lösung aber durchaus eine gute Chance. Die Ölquellen in der Nordsee scheinen noch ein paar Jahrzehnte förderfähig zu sein. Zur Zeit fließen alleine dadurch Steuereinnahmen von sage und schreibe 13 Milliarden Richtung London. Aber: aus London fließen gut 30 Milliarden Richtung Schottland. Allerdings gibt es in London schon heute Pläne, dieses Verhältnis zu Ungunsten der Schotten zu ändern. Das wirkt natürlich nicht sehr gut in Schottland.

Wohin bei einer endgültigen Loslösung

Eigentlich ist es unklar, wohin die Reise gehen soll. Salmond ist, wie erwähnt, ein gewiefter Taktiker. Er kann sich die komplette Loslösung ebenso vorstellen wie eine finanzielle Unabhängigkeit. Allerdings spricht er immer wieder von einem Anschluss an die EU, von der er bislang überzeugt war. Vielleicht macht die Finanzkrise die Schotten aber auch nachdenklich.

Angus Robertson, der Sprecher für Auswärtige Angelegenheiten und Verteidigung der SNP, berichtete kürzlich dem Independent:

Unsere Nachbarn im Norden und Osten haben bereits einen guten Start hingelegt und arbeiten konstruktiv zusammen. Wir müssen uns ihnen anschließen und unsere Rolle dabei spielen

Konkret ist damit die Zusammenarbeit mit Skandinavien und Ostländern gemeint. Bereits in den vergangenen Jahren reisten schottische Nationalisten wiederholt nach Skandinavien, um sich mit den dortigen Ministern und Beamten zu treffen und den Weg für größere Kooperationen zu ebnen. Man will eng mit Schweden, Norwegen und Dänemark zusammenarbeiten. Man denkt über eine gemeinsame Öl- und Gasförderung nach. Dazu möchte man sogar einen eigenen neuen Containerhafen bauen und direkt in Konkurrenz zu Rotterdam gehen

[12.2011, Angaben ohne Gewähr]

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